Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Orkan Özdemir (SPD), Gollaleh Ahmadi (GRÜNE), Cornelia Seibeld (CDU), Anne Helm (LINKE) und Stefan Förster (FDP)
Vom 05. Mai 2022 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Mai 2022)
Antwort vom 24. Mai 2022 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Mai 2022)
Link: https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-11775.pdf
Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 19/11775 vom 05. Mai 2022 über
Antisemitische Vorfälle, Straftaten und Straftaten mit antisemitischen Bezügen in Berlin im 2. Halbjahr 2021
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Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt:
Vorbemerkung:
Grundlage für die Beantwortung der Anfrage – außer zur Frage 4 – bildet der „Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK). Dabei handelt es sich entgegen der „Polizeilichen Kriminalstatistik“ (PKS) um eine Eingangsstatistik. Die Fallzählung erfolgt tatzeitbezogen, unabhängig davon, wann das Ermittlungsverfahren eingeleitet oder an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurde.
Die folgenden statistischen Angaben stellen keine Einzelstraftaten der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) dar. Bei der Darstellung handelt es sich um Fallzahlen. Ein Fall bezeichnet jeweils einen Lebenssachverhalt in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit identischer oder ähnlicher Motivlage, unabhängig von der Zahl der Tatverdächtigen, Tathandlungen, Anzahl der verletzten Rechtsnormen oder der eingeleiteten Ermittlungsverfahren.
Die Fälle der PMK unterliegen bis zum Abschluss der Ermittlungen – gegebenenfalls bis zum rechtskräftigen Gerichtsurteil – einer fortlaufenden Bewertung gemäß der angenommenen Tatmotivation. Neuere Erkenntnisse können demgemäß zu einer Aktualisierung oder zu Änderungen führen. Darüber hinaus können Fälle der PMK auch erst nach dem Statistikschluss bekannt und entsprechend gezählt werden. Deshalb kommt es sowohl unter- als auch überjährig immer wieder zu Fallzahlenänderungen.
Es werden nur die Fälle gezählt, die gemäß den bundesweit verbindlichen Verfahrensregeln zur Erhebung von Fallzahlen im Rahmen des KPMD-PMK für Berlin statistisch zu zählen sind. Liegt der Tatort in einem anderen Bundesland, wird der Fall dort statistisch gezählt, auch wenn die Sachbearbeitung im Zuständigkeitsbereich der Polizei Berlin verbleibt.
Aufgrund einer rückwirkend zum 01.01.2021 geänderten Erfassungspraxis bei antisemitischen Straftaten im KPMD-PMK, werden antisemitische Straftaten, bei denen keine eindeutige Tatmotivation erkennbar ist, nunmehr im Phänomenbereich PMK – nicht zuzuordnen – (PMK – NZ -) erfasst.
Eine Differenzierung nach klassischem Antisemitismus, israelbezogenem und sekundärem Antisemitismus ist nicht möglich.
Wir bitten bei der Beantwortung aller Fragen nach Möglichkeit zu differenzieren nach klassischem Antisemitismus und israelbezogenen und sekundärem Antisemitismus.
- Wie viele antisemitische Straftaten oder Straftaten mit antisemitischen Bezügen wurden im Zeitraum 01.07.2021 – 31.12.2021 bekannt (Bitte genaue Auflistung nach Tattag, Tatort mit Angabe der Postleitzahl, Straftatbestand, Sachverhaltsbeschreibung, Anzahl/Alter/Geschlecht der Geschädigten, Anzahl/Alter/Geschlecht der Beschuldigten, politische Phänomenbereiche und staatsanwaltliches Aktenzeichen)?
Zu 1.:
Für das 2. Halbjahr 2021 wurden insgesamt 201 Fälle mit antisemitischer Motivation registriert. Die im KPMD-PMK im Sinne der Fragestellung bekannt gewordenen Fälle sind den Anlagen 1 und 3 (eingestuft als Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch) zu entnehmen.
Eine Sachverhaltsbeschreibung ist im automatisierten Verfahren nicht möglich. Im Rahmen des KPMD-PMK werden nur Opfer statistisch gezählt. Opfer sind Personen, die durch eine strafbare Handlung körperlich geschädigt wurden oder geschädigt werden sollten.
Personen, die durch eine Straftat auf andere Weise (z. B. materiell) geschädigt wurden, werden statistisch nicht gezählt. Sachverhalte mit gleicher Tatzeit und gleichem Tatort wurden auf Doppelungen geprüft, sodass die Aufstellung nur eigenständige Fälle umfasst.
Eine zur Veröffentlichung bestimmte Beantwortung der Frage 1 in Bezug auf staatsanwaltschaftliche Aktenzeichen und polizeiliche Vorgangsnummern hat nach Abwägung des gemäß Art. 45 Abs. 1 der Verfassung von Berlin verbürgten Informationsanspruchs des Abgeordneten mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen zu unterbleiben. Die erbetenen Daten werden Ihnen daher gesondert als Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch – übermittelt.
- Welche antisemitischen Straftaten oder Straftaten mit antisemitischen Bezügen wurden im Zeitraum 01.07.2021 – 31.12.2021 als Nachmeldungen früherer Zeitpunkte seit den in der Anfrage 18/28402 gemachten Angaben bekannt (Bitte genaue Auflistung nach Tattag, Tatort mit Angabe der Postleitzahl, Straftatbestand, Sachverhaltsbeschreibung, Anzahl/Alter/Geschlecht der Geschädigten, Anzahl/Alter/Geschlecht der Beschuldigten, politische Phänomenbereiche und staatsanwaltliches Aktenzeichen)?
Zu 2.:
Die nach Phänomenbereich und Tatzeit sortierten 78 Nachmeldungen im Sinne der Fragestellung sind den Anlagen 2 und 4 zu entnehmen. Auch diese werden Ihnen gesondert als Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch übergeben. Im Übrigen wird auf die Ausführungen in der Antwort zur Frage 1 verwiesen.
- Wie viele Ermittlungsverfahren wurden gegen Personen wegen antisemitischer Delikte oder Straftaten mit antisemitischen Bezügen im Zeitraum 01.07.2021 – 31.12.2021 eingeleitet? (Bitte genaue Auflistung nach Tattag, Tatort mit Angabe der Postleitzahl, Straftatbestand, Sachverhaltsbeschreibung, Anzahl/Alter/Geschlecht der Geschädigten, Anzahl/Alter/Geschlecht der Beschuldigten, politischer Phänomenbereich und staatsanwaltliches Aktenzeichen, Aufklärungsrate und Gründe für Einstellungen der Ermittlungen.)
- Wie viele Strafverfahren wurden gegen Personen wegen antisemitischer Delikte oder Straftaten mit antisemitischen Bezügen im Zeitraum 01.07.2021 – 31.12.2021 eingeleitet? (Bitte genaue Auflistung nach Tattag, Tatort mit Angabe der Postleitzahl, Straftatbestand, Sachverhaltsbeschreibung, Anzahl/Alter/Geschlecht der Geschädigten, Anzahl/Alter/Geschlecht der Beschuldigten, politische Phänomenbereiche und staatsanwaltliches Aktenzeichen; Stand bzw. Ausgang des Strafverfahrens: Verurteilungen, Einstellungsgründe, Freisprüche u.a. nach StPO)
Zu 3. und 4.:
Da im Rahmen des KPMD-PMK ausschließlich Fälle gezählt werden, ist es der Polizei Berlin im automatisierten Verfahren nicht möglich festzustellen, wie viele einzelne Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden.
Als Strafverfahren im Sinne der Fragestellung werden hier alle Vorgänge, welche der Justiz auf unterschiedliche Weise (z.B. Abgabe eines Ermittlungsverfahrens durch die Polizei) zur Kenntnis gelangten, verstanden.
Insgesamt wurden durch die Justiz im erfragten Zeitraum 343 Verfahrenseingänge verzeichnet, davon 204 Bekanntsachen und 139 Unbekanntsachen.
Eine Statistik mit den darüber hinaus geforderten Angaben existiert nicht, da es sich bei dem automatisierten Aktenregistratursystem der Strafverfolgungsbehörden nicht um eine Falldatenbank handelt. Eine Verlaufsstatistik, wie sie zur Beantwortung der Frage benötigt würde, wird nach den bundeseinheitlichen Regelungen zur Justizstatistik nicht geführt. Es wird insoweit auf die kombinierten Tabellen in den Anlagen zu den Antworten zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. Es kann jedoch die Anzahl der bei der Staatsanwaltschaft erledigten Verfahren mit der Erledigungsart sowie die Anzahl der Verurteilungen mit der Art der gerichtlichen Entscheidung angegeben werden.
Erledigungen bei den Staatsanwaltschaften von Verfahren mit antisemitischem Hintergrund, die vom 01.07.2021 bis 31.12.2021 bei den Staatsanwaltschaften eingegangen sind:
[Tabelle siehe PDF, S. 4: https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-11775.pdf]
Rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen von Verfahren mit antisemitischen Hintergrund, die vom 01.07.2021 bis 31.12.2021 bei den Staatsanwaltschaften eingegangen sind:
[Tabelle siehe PDF, S. 5: https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-11775.pdf]
- Wie hoch war das Fallaufkommen mit antisemitischer Motivation im Rahmen von demonstrativen Ereignissen im Zeitraum 01.07.2021 – 31.12.2021? (Bitte genaue Auflistung nach Tag, Tatort mit Angabe der Postleitzahl, Motto, Titel, Teilnehmerzahl und Anmelder der Veranstaltungen, Sachverhaltsbeschreibung bei Feststellungen antisemitischer Ausdrucksformen)
Zu 5.:
Im Rahmen des KPMD-PMK wird erfasst, ob eine politisch motivierte Straftat im Rahmen einer Versammlung bekannt wurde, wobei das Thema der Versammlung nicht statistisch auswertbar erfasst wird. Folgende 5 Fälle der PMK mit antisemitischer Motivation wurden im Rahmen einer Versammlung registriert:
Fallaufkommen mit antisemitischer Motivation im Rahmen von Versammlungen für das 2. Halbjahr 2021:
[Tabelle siehe PDF, S. 5f: https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-11775.pdf]
Eine weiterführende Erhebung im Sinne der Fragestellungen zu veranstaltungsbezogenen Details ist im automatisierten Verfahren nicht möglich.
- Wie viele Straftaten und nicht-strafbare Vorkommnisse richteten sich gegen jüdische oder als jüdisch wahrgenommene Institutionen oder von ihnen verwaltetes Eigentum (Schulen Hochschulen, Synagogen, Friedhöfe, Altersheim, Mikwen, Geschäftsstellen, Gemeindezentren, Museen) im Zeitraum 01.07.2021 – 31.12.2021 (Bitte genaue Auflistung nach Tattag, Tatort mit Angabe der Postleitzahl, Sachverhaltsbeschreibung)?
Zu 6.:
Zur Beantwortung werden die Daten zugrunde gelegt, bei denen als Tatörtlichkeit beziehungsweise Angriffsziel der Katalogbegriff „jüdische Einrichtung“ erfasst wurde. Dabei sind Fälle enthalten, bei denen z. B. E-Mails an jüdische Einrichtungen oder Organisationen gesandt wurden. Die Sortierung erfolgt nach Tatzeit.
Fallaufkommen mit antisemitischer Motivation und mit Bezug zu jüdischen Einrichtungen, Gedenkstätten/Denkmälern im 2. Halbjahr 2021:
[Tabelle siehe PDF, S. 6f: https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-11775.pdf]
Berlin, den 24. Mai 2022
In Vertretung
Torsten Akmann
Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport