Schriftliche Anfrage 19/11780: Nachweispflichten für Personen mit iranischer Staatsbürgerschaft

Vom 05. Mai 2022 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Mai 2022)

Antwort vom 20. Mai 2022 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Mai 2022)

Link: https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-11780.pdf


Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 19/11780 vom 5. Mai 2022 über

Nachweispflichten für Personen mit iranischer Staatsbürgerschaft

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Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt:


  1. Inwiefern müssen Personen mit nicht-deutscher Staatsbürgerschaft besondere Unterlagen einreichen, wenn sie in Deutschland heiraten möchten, und welche Unterschiede gibt es bei den verschiedenen Herkunftsländern?

Zu 1.:

Gemäß § 1309 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) hat eine Person, die vorbehaltlich des Artikels 13 Absatz 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) ausländischem Recht unterliegt, zur Eingehung einer Ehe ein Zeugnis der inneren Behörde ihres Heimatstaates beizubringen, demzufolge nach dem Recht des betroffenen Staates kein Ehehindernis entgegensteht. Von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union kann ein derartiges Zeugnis auch durch Auslandsvertretungen ausgestellt werden. Kann kein derartiges Zeugnis des Heimatstaates vorgelegt werden, z. B. weil ein Staat ein solches nicht kennt, so ist gemäß § 1309 Absatz 2 BGB die Befreiung von diesem Erfordernis bei dem Präsidenten des Oberlandesgerichts bzw. Kammergerichts als Justizverwaltungsbehörde zu beantragen.

Im Rahmen des Befreiungsverfahrens werden in der Regel urkundliche Nachweise der Staatsangehörigkeit, des Familienstandes und zu in der Heimat und im Ausland geschlossenen Vorehen und deren Auflösung verlangt. Welche Urkunden konkret verlangt werden, hängt von den Vorgaben des jeweiligen ausländischen Rechts ab, da die Voraussetzungen der Eheschließung gemäß Artikel 13 Absatz 1 EGBGB für jeden Verlobten dem Recht des Staates unterliegen, dem er angehört.

Unter den Voraussetzungen des Artikels 13 Absatz 2 EGBGB findet außerdem ausnahmsweise deutsches Recht Anwendung. Durch diese Regelung ist sichergestellt, dass keine die Grundrechte tangierenden Eheschließungshindernisse der Durchführung einer Eheschließung entgegenstehen.


  1. Inwiefern trifft es zu, dass Personen mit iranischer Staatsbürgerschaft trotz Volljährigkeit eine Einverständniserklärung des Vaters vorlegen müssen und inwiefern gibt es hier Unterschiede zwischen Männern und Frauen?

Zu 2.:

Personen mit iranischer Staatsbürgerschaft müssen, um in Deutschland die Ehe schließen zu können, nach § 1309 Absatz 2 BGB die Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses beantragen, da ihr Heimatland keine Ehefähigkeitszeugnisse ausstellt.

Zustimmungsvorbehalte von männlichen Ehevormündern zu volljährigen Frauen (meist die Väter der Frauen) sind mit der Eheschließungsfreiheit und mit Artikel 3 Grundgesetz (GG) aus Sicht des deutschen Rechts unvereinbar und stehen einer Eheschließung in Deutschland nicht entgegen. Im Rahmen des Befreiungsverfahrens wird eine Einwilligungserklärung des Vaters bei nach deutschem Recht ehemündigen ausländischen Verlobten daher nicht verlangt (Artikel 6 EGBGB, ordre public-Vorbehalt).


  1. In welcher Form müssen diese Einverständniserklärungen vorliegen, wie läuft das Verfahren und welche Ämter sind daran beteiligt?
  2. Wie wird in Fällen vorgegangen, in denen die Eltern bereits verstorben oder nicht erreichbar sind?

Zu 3. und 4.:

Eine Einwilligungsklärung wird nicht verlangt (vgl. Antwort zu 2.)


  1. In welchen weiteren Fällen jenseits einer Hochzeit müssen volljährige Personen mit iranischer Staatsbürgerschaft vergleichbare Nachweise vorlegen?

Zu 5.:

Ohne nähere Darlegungen, welche Rechtsgebiete oder Fallkonstellationen mit „weiteren Fällen jenseits einer Hochzeit“ konkret gemeint sein sollen, kann diese Frage nicht beantwortet werden.


  1. Inwiefern schränkt eine Hochzeit ohne diese Nachweise die Anerkennung der Eheschließung im Iran ein?

Zu 6.:

Der Senat kann keine Auskunft zur Anerkennung von Eheschließungen durch fremde Rechtsordnungen treffen.


  1. Inwiefern gelten weitere aus dem Iran stammende Regelungen nach der Hochzeit für die Beteiligten, etwa die weitreichenden Bestimmungsrechte des Ehemanns über die Ehefrau, die mit deutschem Recht nicht vereinbar sind?

Zu 7.:

Wenn beide Eheleute ausschließlich die iranische Staatsangehörigkeit haben, gilt das Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17. Februar 1929 (deutsch-iranisches Niederlassungsabkommen; Bundesgesetzblatt 1955 II, 829). Gemäß Artikel 8 Absatz 3 Satz 1 dieses Abkommens bleiben die Angehörigen des anderen Staates im Personen-, Familien- und Erbrecht dem Heimatrecht unterworfen. Grenze ist der ordre public-Vorbehalt nach Artikel 8 Absatz 3 Satz 2 des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens.

Wenn nicht beide Ehegatten ausschließlich die iranische Staatsangehörigkeit haben, bestimmt Artikel 14 EGBGB, welches Recht auf die allgemeinen Ehewirkungen anwendbar ist. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang Artikel 6 EGBGB, wonach eine Rechtsnorm eines anderen Staates nicht anzuwenden ist, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Außerdem findet europäisches Kollisionsrecht Anwendung, namentlich die Verordnung (EU) 2016/1103 (Güterrechtsverordnung), die Verordnung (EG) Nr. 4/2009 (Unterhaltsverordnung) in Verbindung mit dem Haager Protokoll vom 23. November 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (Haager Unterhaltsprotokoll) und die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 (Rom III-Verordnung).

Überdies sind die Bestimmungen des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention, Bundesgesetzblatt 1953 II, 529) zu beachten.


  1. Wie viele Personen waren seit 2017 in Berlin von diesen Nachweispflichten bei Hochzeiten und ggf. anderen Fällen betroffen?

Zu 8.:

Dem Senat liegen hierzu keine statistischen Informationen vor.


  1. Auf welcher rechtlichen Grundlage beruhen diese Regelungen und inwiefern hält der Senat ihre Aufrechterhaltung noch für zeitgemäß?
  2. Auf welchem Weg ließe sich nach Einschätzung des Senats eine Änderung dieser Regelungen bewirken?

Zu 9. und 10.:

Gemäß Artikel 13 Absatz 1 EGBGB unterliegen die Voraussetzungen der Eheschließung für jeden Verlobten dem Recht des Staates, dem er angehört. Etwas Anderes gilt für die gleichgeschlechtliche Ehe, deren Voraussetzungen sich nach den Sachvorschriften des registerführenden Staats richten (Artikel 17b Absatz 1 und 4 EGBGB). Hier erscheint eine Angleichung der Regelungen auf Bundesebene denkbar.


  1. Inwiefern ist es möglich, diese Nachweise des Einverständnisses zu umgehen, inwiefern entstehen dabei Kosten für die Betroffenen und inwiefern erhalten sie Unterstützung und/ oder juristische Beratung von den Ämtern?

Zu 11.:

Eine Einwilligungserklärung wird nicht verlangt (vgl. Antwort zu 2.).


  1. Inwiefern sieht der Senat einen Konflikt zwischen diesen Regelungen mit der im Grundgesetz festgelegten Gleichberechtigung der Geschlechter?

Zu 12.:

Die Anwendung ausländischen Rechts kann dazu führen, dass ein Konflikt mit der grundgesetzlich verankerten Gleichberechtigung nach Artikel 3 GG entsteht. Das Gleichheitsgebot gehört als Grundrecht zu den wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung. Sofern der Konflikt nicht nach dem anwendbaren ausländischen Recht aufgelöst werden kann, ist dem Gleichheitsgebot über den ordre public-Vorbehalt, das heißt die Anwendung deutschen Rechts im Ausnahmefall, Geltung zu verschaffen.


Berlin, den 20. Mai 2022

In Vertretung

Dr. Daniela Brückner

Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung

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